Politische, soziale, religiöse und kulturelle Vielfalt in der Zeit Sigismunds von Luxemburg (1368–1437)

DIVERSITAS (Sigis)MUNDI. Politische, soziale, religiöse und kulturelle Vielfalt in der Zeit Sigismunds von Luxemburg (1368–1437)

Organisatoren
Julia Burkhardt, Ludwig-Maximilians-Universität München
Ort
München
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.02.2023 - 25.02.2023
Von
Johannes Willert, Abteilung Mittelalterliche Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Als zeitgebundenes Fach orientiert sich die Geschichtswissenschaft an aktuellen Fragen, um daraus neue Perspektiven für die Forschung abzuleiten. Immer wieder haben gesellschaftliche Erfahrungen und Entwicklungen Einfluss auf Historikerinnen und Historiker genommen. Dieses Potential besitzt auch „Diversität“ als mittlerweile integraler Bestandteil aktueller gesellschaftlicher Diskussionen.

Vor diesem Hintergrund stellte JULIA BURKHARDT (München) in ihrer Einführung zu der durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur geförderten Tagung die Frage, inwieweit Diversität als Forschungsgegenstand und -kategorie für die mittelalterliche Geschichte fruchtbar gemacht werden könne. Die Organisatorin bekräftigte, dass in Anlehnung an jüngere Überlegungen Diversität, verstanden als System von Differenzierungen, ergebnisoffen als historische Analysekategorie herangezogen werden solle und für weitere, zukünftige Studien zu erproben sei. Sigismund von Luxemburg und seine Zeit dienten dafür als „Experimentierfelder“, auf denen Diversität und ihre Dynamiken diskutiert werden sollten.

Um diese abstrakte Idee durch eine Vielzahl von Beispielen mit Leben zu füllen, wurden die Vorträge in vier Sektionen unterschiedlicher Schwerpunkte gruppiert: Erstens politisch-institutionelle Vielfalt und Einheitsvisionen, zweitens soziale und sprachliche Vielfalt in urbanen Räumen, drittens religiöse und konfessionelle Vielfalt und diskursive und materielle Kultur sowie viertens kulturelle Vielfalt und Wahrnehmungsmuster.

Eröffnet wurde die erste Sektion durch BERND SCHNEIDMÜLLER (Heidelberg), der sich unter den Schlagworten unitas und diversitas dem spätmittelalterlichen Kaisertum Sigismunds widmete. Er beschrieb das Kaisertum, verstanden als besondere, titular gesteigerte Königsherrschaft ohne wirkliche Machterweiterung, als profilreiches Amt im Spannungsfeld zwischen kaum durchsetzbaren, historisch-religiös orientierten Ansprüchen und real zugestandenem (einfachem) Ehrenvorrang. Kaiser zu werden, bedeutete für Sigismund, innerhalb einer familiären wie herrscherlichen Traditionslinie, den Erwerb zusätzlicher Legitimation und Würde. Zugleich hieß es, idealisierte Einheitsgedanken weiter mit eigenem Verantwortungsstreben zu verfolgen, aber dennoch ebenso tatsächliche politische Vielfalt und Multipolarität zu akzeptieren und damit umzugehen.

Am Beispiel des Großen Abendländischen Schismas referierte BÉNÉDICTE SÈRE (Paris/Nanterre) über Diversität in der Krise. Dafür setzte sie sich mit innerkirchlicher Meinungsvielfalt sowie mit jüdischen Gemeinschaften im Rahmen der Debatte von Tortosa auseinander. So stellte sie heraus, dass die Schwäche sowohl der Kirche als auch ihrer Amtsträger zu einer für das Mittelalter außergewöhnlich (exzessiven) Ablehnung des Judentums führte. Dieser Umstand sei auch hinsichtlich der innerkirchlichen Meinungsvielfalt zu beobachten. Die Ursache sieht Sère in dem vor allem in Krisenzeiten stärker verfolgten Ideal einer dogmatisch monolithischen Kirche, neben der und in der es keine anderen Lehren geben dürfe. So böten Zeiten kirchlicher Stabilität die Möglichkeit zur Entfaltung von Diversität, während Zeiten kirchlicher Instabilität die Möglichkeit reduzierten, Diversität auszuhalten. Insofern plädierte die Referentin dafür, Spaltung und Vielfalt zusammenzudenken.

Mit dem Konflikt zwischen der böhmischen Herrenliga und König Wenzel IV. in den Jahren 1394–1405 setzte sich ÉLOÏSE ADDE (Wien/Budapest) in ihrem Beitrag auseinander. Sie zeigte auf, dass die Verbindung der Adeligen um die Jahrhundertwende gerade nicht als konservatives, oder gar reaktionäres Bündnis gegen eine moderne Politik des Königs zu verstehen ist und grenzte sich damit von der bisherigen Bewertung der älteren Forschung ab. Vielmehr handele es sich um einen Konflikt zwischen konkurrierenden, alternativen Herrschafts- und Ordnungsvorstellungen, die sich aus unterschiedlichen Interessenspositionen und ideellen Einflüssen speisten. Diesen ereignisreichen und nicht gewaltarmen Aushandlungsprozess kontextualisierte Adde vor dem Hintergrund vorangegangener, ähnlicher Konflikte im 14. Jahrhundert seit dem Auftritt der Luxemburger in Böhmen. Im Zuge dessen forderte sie dazu auf, von der linearen Denkfigur uniformer, alternativloser mittelalterlicher Herrschaft, die schließlich vom protomodernen Staat überwunden wurde, Abstand zu nehmen.

Seine Überlegungen zum Selbstverständnis der süddeutschen Landstände und die versuchten Einflussnahmen Sigismunds von Luxemburg stellte MARKUS CHRISTOPHER MÜLLER (München) vor. Er zeichnete Sigismunds Ansatz nach, die Landstände in Bayern, Schwaben und Tirol zu diversifizieren, um sich selbst als ordnendes Element im Sinne von divide et impera zu etablieren. Müller zufolge versuchte der König, sich ein Monopol hinsichtlich der Zulassung von Einigungen im Sinne der Goldenen Bulle zu sichern. Beide Vorhaben, so die These, misslangen aufgrund der grundlegenden Diversität sowie des Exklusivitätsbewusstseins der landständischen Akteure, bei denen Inklusions- und Exklusionsmechanismen stets zusammen betrachtet werden müssen.

Auf Propaganda als Mittel der politischen Kommunikation in der Zeit Wenzels IV. und Sigismunds konzentrierte sich KLARA HÜBNER (Brünn) in ihrem Vortrag, der den ersten Konferenztag beschloss. Sie legte dar, wie unterschiedliche Propagandaformen in Böhmen um 1400 mit divergierenden Intentionen verwendet und rezipiert wurden, wobei konkrete Autoren selten fassbar sind. Dabei besaßen die Medien stets bestimmte Funktionen im politischen Diskurs und bezogen sich aufeinander. Ebenso bekräftigte Hübner die Notwendigkeit antiköniglicher Propaganda als Artikulation enttäuschter Erwartungshaltungen seitens der Beherrschten, wie auch königlicher Propaganda als kommunizierte Selbstdarstellung gegenüber den Beherrschten. Zugleich unterstrich sie die mögliche Loslösung der Medien(inhalte) aus der zeitgenössischen Funktion und damit potentiell einhergehende Eigendynamiken, wie sie bei der Rezeption Wenzels IV. (als der „Faule“) zu beobachten sind.

Im ersten Referat der zweiten Sektion betrachtete ALEXANDRA KAAR (Wien) eine personale und begriffliche Ebene von Diversität. Dabei nahm sie Entwicklung, Einsatz und zeitgenössische Vorstellungen der Abstrakta „Bürgertum“ und „Adel“ vor dem Hintergrund des Zweiten Süddeutschen Städtekrieges in den Blick. Die Analyse dieser Begriffe als Differenz- und Konfliktkategorien legte erhebliche gegenseitige Vorurteile zwischen den entstehenden Gruppen offen, die zur sozialen Differenzierung beitrugen. Zudem stellte Kaar auch die Bildung des Kollektivbegriffes „Adel“ in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts heraus. Dabei wurden einerseits Konflikte bzw. Solidarisierungen in ihnen als Treiber der Entwicklung identifiziert, andererseits aber auch die nicht zu unterschätzenden individuellen wie religiösen Komponenten betont.

Wie sahen die Verbindungen der städtischen Oberschicht der Danziger Rechtstadt zu Sigismund von Luxemburg aus? Wie veränderten sich diese Beziehungen in Momenten von Konflikt und Interessendivergenz? Diesen Fragen ging BEATA MOŻEJKO (Danzig) in ihrem Vortrag nach. Sie untersuchte, wie sich der Rat der Rechtstadt zwischen seinem Herrn, dem Deutschen Orden, und Sigismund wohlüberlegt zu bewegen wusste und bemüht war, statt eines Spielballs als eigener Akteur städtische bzw. eigene Interessen zu behaupten. Gleichzeitig skizzierte die Referentin die vehementen und divergierenden Einflussversuche Sigismunds und des Deutschen Ordens im jeweils eigenen Interesse, das die andere Partei miteinschließen konnte, aber nicht musste.

Dass Vielsprachigkeit nicht nur Herausforderung, sondern Notwendigkeit und Realität in der Zeit Sigismunds darstellte, zeigte VÁCLAV ŽŮREK (Prag) in seinem Beitrag. Er legte den Einsatz und die Wirkung unterschiedlicher Sprachen (z.B. Deutsch, Latein, Tschechisch) an den Höfen Wenzels IV. und Sigismunds vor dem Hintergrund der einschlägigen Regelung in der Goldenen Bulle (Kapitel XXXI) sowie der in Personalunion beherrschten Reiche offen. Zugleich unterstrich er die prägnante Tradition der Vielsprachigkeit innerhalb dieser Dynastie von Karl IV. bis hin zu seinem Urenkel Ladislaus Postumus und wies in diesem höfischen Zusammenhang auch auf die Funktion von Sprachen(un)kenntnis als Differenzkategorie und Distinktionsmerkmal bei Herrschern wie Höflingen hin.

Ebenfalls mit Vielsprachigkeit, allerdings im Kontext der ungarischen Städte während der fünfzig Jahre von Sigismunds ungarischem Königtum, setzte sich KATALIN SZENDE (Wien/Budapest) auseinander. Sie beschäftigte sich mit der sich ändernden Verwendung von Sprachen, maßgeblich Deutsch, Latein und Ungarisch, im Rahmen von Handel, Verwaltung und Religion. So demonstrierte sie, wie sehr die Verwendung einer konkreten Sprache vom jeweiligen (Einsatz-)Kontext abhing und dass sich dieser durch demographische Entwicklungen sowie städtische oder höfische Einflussnahmen erheblich veränderte. Neben der kontextabhängigen Differenzierung von Sprachen betonte sie ebenso die gelebte Vielsprachigkeit sowie den weniger präsenten Zusammenhang zwischen ethnischer Zugehörigkeit und gesprochener Sprache.

Lässt Glaube Diversität zu? Mit dieser Frage eröffnete CHRISTINE REINLE (Gießen) die dritte Sektion. Sie kam in ihrer Untersuchung von katholischer Kirche und koexistierenden Waldensern, deutschen Hussiten und Juden im späteren Mittelalter zu dem Schluss, dass der religiöse Exklusivitäts- und Wahrheitsanspruch in elementarem Widerspruch zu geduldeter religiöser Vielfalt stehe. Diversität, so ihre These, sei insofern nur in der konkreten wie konformen Frömmigkeitspraxis zu beobachten und akzeptiert gewesen, dort ließen sich Handlungsspielräume finden. Bei abweichenden, nonkonformen Lehren (Häresien) komme es hingegen auf den Wahrnehmungswillen an. Grundsätzlich seien diese Normabweichungen als Differenz, nicht als Diversität, zu verstehen, die häufig Eliminierung(sversuche) zur Folge hatten.

In den Adriaraum nahm MARGARITA VOULGAROPOULOU (Bochum) die Konferenzteilnehmerinnen und Konferenzteilnehmer im Anschluss mit. Ihr kunsthistorischer Vortrag erläuterte, dass dort um die Jahrhundertwende (um 1400) nicht nur die von der Forschung bisher hauptsächlich betrachtete venezianische Spätgotik zu finden war. Vielmehr entstand in dieser Kontaktzone des lateinischen Westeuropas mit dem griechischen Byzanz, angetrieben durch viele örtliche Konflikte, eine deutlich breitere und bisher wenig beachtete Stilvielfalt innerhalb einzelner Kunstwerke. Diese Diversität wurde durch Interaktion verschiedener Künstler und die Kombination unterschiedlicher Stile geprägt und zeige sich z.B. durch multilinguale und multistilistische Werke.

Wie konstruiert sich eine religiöse Gruppe in Abgrenzung zu anderen Gruppen der gleichen Religion bezogen auf gemeinsame, interkonfessionelle Glaubenspraktiken? Diese Frage nahm IRYNA KLYMENKO (München) als Ausgangspunkt, um jesuitische, orthodoxe und protestantische Quellen zum Thema Fasten um 1600 zu untersuchen. Die Referentin führte aus, dass religiöse Normen sowie Kollektive nicht statisch waren, sondern sich dynamisch und diskursiv veränderten. Mithin könne Diversität hier als Kategorie helfen, einzelne Aspekte in ihrer Entwicklung (Kontinuität wie auch Dynamik) zu greifen und Verflechtungen der Felder abzubilden. Daneben trage die Kategorie Diversität dazu bei, eben diese Veränderungen zu verstehen.

Den öffentlichen Abendvortrag zu Bedeutung und Kontexten von Diversität im Mittelalter als Abschluss des zweiten Konferenztages hielt NORA BEREND (Cambridge). In einem ersten Teil präsentierte sie Sigismund als einen vielfältigen Herrscher und verwies dafür beispielhaft auf seine Vielsprachigkeit, die unterschiedlichen beherrschten Reiche oder seine prägende Rolle in den diversen politischen Entwicklungen der Zeit. Danach beschäftigte sie sich mit der abstrakten Bedeutung von Vielfalt im Mittelalter und forderte dazu auf, Diversität in dieser Zeit nicht als Spiegelbild eines modernen Begriffsverständnisses zu sehen oder zu suchen. Stattdessen gelte es, Vielfalt im Sinne der Zeitgenossen, die sich ihrer bewusst waren, zu greifen sowie deren Wortverständnis, die positiven wie negativen Bedeutungen des lateinischen diversa, zu berücksichtigen. Ebenso warnte sie davor, Vielfalt im Mittelalter mit Toleranz zu verwechseln.

Mit einem Referat von SUZANNA SIMON (Zagreb) begann die vierte Sektion. Simon setzte sich mit dem ethnisch heterogenen slawonischen Adel zur Zeit Sigismunds auseinander. Der Adel bestand aus Slawen und vom König angesiedelten Ungarn, denen als Verhandlungs- und Begegnungsort der ungarische Hof diente. Neben den königlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Region wie der gezielten Vergabe von Ban-Ämtern oder eben der Ansiedlung ungarischer Adeliger zeigte der Beitrag auch die gewichtige Rolle der Fürstinnen auf. Unter anderem am Beispiel der Familie Töttös wurde deutlich, wie Frauen als Protagonistinnen ihrer Familien in Krisenzeiten agierten und sich in dem konfliktreichen Gebiet zu behaupten vermochten.

Den Umgang von mittelalterlichen Gesellschaften mit immigrierenden Gruppen thematisierte CRISTINA ANDENNA (Saarbrücken). Am Beispiel der Gruppen, die im 15. Jahrhundert als „Zigeuner“ fremdbezeichnet wurden, betrachtete sie den sich verändernden Blick von Städten auf diese Neuankömmlinge und die damit einhergehenden Verhaltensänderungen. Die Referentin unterschied grundlegend zwei aufeinanderfolgende Phasen, in denen die neuen Fremden zunächst als Ausdruck von Diversität, später dezidiert als Fremde, von denen es sich abzugrenzen galt, gesehen wurden. Die erste Phase stellte sich für die Städte als herausfordernde Zeit von Kommunikation und Integration der abgegrenzt-fremden wie als in sich sozial differenziert wahrgenommenen Gruppe dar. Hingegen bedeutete die zweite Phase Verfolgung, Vertreibung und Stereotypisierung des neuen Bevölkerungsteils. Andenna vermutete, dass die nicht sesshafte Lebensweise zum Problem wurde. Zugleich wies sie darauf hin, dass die beschriebene zweite Phase ausbleiben konnte, wenn die Migranten als nützlich für bestimmte Maßnahmen und Ziele angesehen wurden.

Die beispielorientierten Beiträge beschloss ein Vortrag zu den Dynamiken der Gelehrtenkultur in der Zeit Sigismunds von SANDRA SCHIEWECK-HERINGER (München). Dabei beschrieb sie die universitäre Ausbildung der Gelehrten als zunächst integrativ, da sie zumindest temporär die Heterogenität bzw. Diversität der Studenten nivellierte. Häufig wechselten die Studenten – nach ihrer universitären Ausbildung in ein dichtes Kommunikationsnetzwerk eingespannt – an die Höfe der Zeit. Schieweck-Heringer wies darüber hinaus auf die besondere Rolle der Konzilien als Zentren von Gelehrsamkeit und Gelehrten hin: Dort waren Gelehrte allerdings weniger als eigenständige, homogene Gruppe, sondern zumeist im Auftrag ihrer Herren oder qua eigenen Rechtes präsent. Allerdings spielte eine andere Differenzkategorie, das Nationes-Prinzip, bei der Selbstorganisation der Konzilsteilnehmer eine bedeutendere Rolle als die universitäre Zugehörigkeit. Mithin, so schlussfolgerte sie, seien zur Erfassung von Gelehrtenverbindungen in diesem Fall neben Diversität weitere Untersuchungskategorien zur Schärfung des analytischen Blickes notwendig.

Die Ansätze der vier Sektionen und die bisherige Verwendung des Begriffes Diversität in den Geschichtswissenschaften resümierte vor der abschließenden Diskussion PAUL SCHWEITZER-MARTIN (München). So zeigte er auf, dass in der (deutschsprachigen) Geschichtsforschung kein Konsens hinsichtlich der Bedeutung des Begriffes besteht. Zudem würden Diversität, Vielfalt und Pluralität häufig synonym gebraucht. Begriffliche Unschärfe entstehe zudem durch Bezugnahme auf das englische diversity, das nicht denselben Sinngehalt wie sein deutsches Äquivalent besitze. Außerdem stellte Schweitzer-Martin die seltene Verwendung der Kategorie als Hauptgegenstand von Untersuchungen fest. Stattdessen fand die Kategorie bisher vor allem in größeren Analysen nur als Teilaspekt Verwendung.

Dass es sich bei diversitas allerdings um ein fruchtbares Konzept mit Potenzial für zukünftige Studien handelt, dem mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, unterstrich die lebhafte Abschlussdiskussion, die zugleich neue Impulse für die mit der internationalen Tagung verfolgte Idee generierte. Auch wurde in diesem Rahmen der ergebnisoffen und mit vier Sektionen breit angelegte Ansatz der Konferenz als gelungen befunden. Zugleich betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Diversität als Analysekategorie insbesondere im Zusammenspiel mit anderen Differenzkategorien für die Mittelalterforschung fortwährend intensiver auszuloten und auf weitere Kontexte anwenden zu wollen.

Konferenzüberblick:

Julia Burkhardt (München): Einführung

Sektion 1: Politisch-institutionelle Vielfalt und Einheitsvisionen
Moderation: Christoph Mauntel (Konstanz)

Bernd Schneidmüller (Heidelberg): unitas und diversitas. Sigmunds Kaisertum als Ordnungsfigur im Spätmittelalter

Bénédicte Sère (Paris/Nanterre): Thinking the difference and the diversity at the time of the Great Western Schism (1378–1417). Jewish-Christian polemics and Church’s obsessions of unity

Éloise Adde (Budapest/Wien): The League of Lords between feudalism and the modern state. Diversity of state models, political agency, and opposition in late-medieval Bohemia (1394–1405)

Markus Christopher Müller (München): Ständisches Selbstverständnis und Alterität. Inklusions- und Exklusionsstrategien süddeutscher Landstände im 14. und 15. Jahrhundert

Klara Hübner (Brünn): Morder, Alter Nero, Likša rýšavá: Anti-königliche Propagandasprachen der Wenzels- und Sigismundszeit

Sektion 2: Soziale und sprachliche Vielfalt in urbanen Räumen
Moderation: Jörg Schwarz (Innsbruck)

Alexandra Kaar (Wien): „Bürgertum“ und „Adel“ als Differenz- und Konfliktkategorien zur Zeit Sigismunds?

Beata Možejko (Danzig): Main Town (Rechtstadt) Danzig‘s city council towards Sigismund Luxembourg. Research reconnaissance

Václav Žůrek (Prag): Multilingualism on Luxembourg courts (ca. 1370–1440). Communicative and symbolic linguistic diversity in the court environment

Katalin Szende (Budapest/Wien): Language matters. Multilingual practices in urban communication in the Kingdom of Hungary and beyond

Sektion 3: Religiöse und konfessionelle Vielfalt: Diskursive und materielle Kultur
Moderation: Dieter Weiß (München)

Christine Reinle (Gießen): Konforme und nonkonforme Religiosität im römisch-deutschen Reich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts

Margarita Voulgaropoulou (Bochum): Artistic diversity in the multi-ethnic and multi-confessional Adriatic during the time of Sigismund of Luxembourg (1368–1437)

Iryna Klymenko (München): Das Fasten der Anderen. Semantiken religiöser Grenzziehung in der Vormoderne

Öffentlicher Abendvortrag

Nora Berend (Cambridge): Medieval diversity. Contexts and meanings

Sektion 4: Kulturelle Vielfalt und Wahrnehmungsmuster
Moderation: Christina Lutter (Wien)

Suzanna Simon (Zagreb): Fractions and/or uniformity? Politics of the Slavonian nobility in the Composite Kingdom

Cristina Andenna (Saarbrücken): Diversität und Alterität. Reaktionen auf eine unbekannte Migrantengruppe in der Zeit Sigismunds

Sandra Schieweck-Heringer (München): Vielfalt des Wissens? Die Gelehrtenkultur(-en) im Umfeld Sigismunds von Luxemburg

Abschlussdiskussion

Paul Schweitzer-Martin (München): Concluding remarks. Should we study political, social, religious and cultural diversity in the middle ages?